Donnerstag, 8. Juli 2010

IM SAMEN DER STOCKROSE

Ein kosmopolitisches Malvenprojekt
(Ökocard, Schöppingen)

von Inka Bach


Zuerst sah ich Malven in Frankreich an der Atlantikküste, da wüst und wild vor beinahe jedem Haus. Dort in schöner Selbstverständlichkeit. Und ich hielt sie lange für eine Blume, die ans Meer gehört. Seltener sah ich sie in Deutschland, meist bei versteckten Künstlerdomizilen, auf liebevoll ausgebauten alten Bauernhöfen, neben Häusern von Zauberern und Hexen, die den Reiz der Stockrose von früher noch kannten, eventuell als Tarnung in die Jahre gekommener Hippies, in trauter Nachbarschaft von kleineren und größeren Cannabisplantagen. Ein Nischenleben in lieblichem Abseits führte sie bei uns.

Dann tauchte sie plötzlich als prächtige Asphaltpflanze, etwa in Berlin, Amsterdam, wer weiß wo noch, auf. In italienischen Städten aber sah ich sie bislang noch nicht. Auch nicht in Schöppingen. Im Sommer 2010 aber blüht sie schon vor einem Haus gegenüber dem Künstlerdorf. Ein wahres Malvenhaus! Und jetzt darf sie sich endlich auch im Künstlerdorf ausbreiten. Hier gehört sie her, hier ist ihr Platz!
Denn das Nützlichste an ihr ist, dass sie so nutzlos ist. Wie wir Künstler. Ganz verrückte Utilitaristen gewannen früher aus ihr gar Hustentee oder Farbstoff für Wein und Süßspeisen. Wir aber wollen nur ihre subversive Schönheit!

Meerwilde, Windwilde, Farbwilde. Robustes zartes Gewächs, das sich sogar durch Stein hindurch kämpft, um dann aufrecht, aber biegsam, keck und zerzaust recht bescheiden vor sich hin zu blühen. Applaus wie ihre prominente Schwester, die Rose, fordert sie nicht. In Ruhe gelassen werden möchte sie. Man hat wenig Freude an ihr, wenn man sie abschneidet oder gar abreißt; in der Vase geht sie sofort ein. Aber an ihrem Platz hält sie viel aus. Stolz und naiv. Die Giraffe unter den Blumen. Anarchistin. In Farben, mauve, tausendfach. Von hellzart zitronengelb bis fast schwarz in dunklem Violett. Die edle Altmodische. Darin der Rauke ähnlich, die gerade als Ruccola eine Renaissance erlebt.

Seit einigen Jahren avanciert nun allerdings die Olive zur Pflanze Europas, zum Symbol der Europäischen Union. Überall, auf Tellern, Schüsseln, Gardinen, Tischdecken taucht sie auf. Faszinierend, diese Olive! Sehr hübsch, zugegeben. Aber schwer anzubauen bei uns in Nordeuropa.
Wir aber werden die Samen der Malve über Europa hinaus (wir sind im internationalen Künstlerdorf Schöppingen nicht eurozentriert) in alle Winde verstreuen. Ausgangspunkt wird das internationale Künstlerdorf Schöppingen sein.

Die Methode ist ganz einfach: Zunächst säen wir sie an möglichst vielen Ecken und Winkeln, Hauswänden, Mäuerchen, Brunnen und Schuppen des Künstlerdorfs aus. Dann, wenn die wunderbaren Stockrosen überall erblühen, kann jeder Stipendiat einige Samen aus ihren runden Samenkugeln am Stiel der Blume unterhalb der Blüten stibitzen. Am besten nimmt man gleich einige dieser Kugeln ganz an sich, versteckt sie in Hosen- oder Jackentaschen und trägt sie davon, um sie irgendwo auf der Welt auszusäen. Die Anspruchslose wird überall gedeihen. Allerdings weiß man nie genau, wann sie blüht. Sie geruht es nur alle zwei Jahre zu tun.

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